> Aus der Presse > Westfälische Nachrichten 09.04.2006

Lengerich

Hals über Kopf nach Shanghai geflogen

Von Michael Baar

Lengerich. Wenn seine Tauben so schnell fliegen würden... Hals über Kopf ist Klaus Stieneker in diesen Tagen nach Shanghai geflogen. Der Grund: Das Eine-Million-Euro-Rennen für junge Brieftauben am 18. November. Es findet in der chinesischen Metropole Shanghai statt. Veranstalter ist der Industrielle Lin Hsin-Yung. Und der will im Vorfeld dieser Veranstaltung Fachverstand in die Organisation einbinden. Dass die Wahl gerade auch auf ihn gefallen sei, empfindet der Lengericher Züchter als große Ehre.
Dabei wollte er eigentlich nicht nach China fliegen. Ich bin gefragt worden, habe mit meiner Frau Mareike und meiner Tochter Franziska darüber gesprochen. Wir waren uns einig, ich bleibe hier, erinnert sich der 50-Jährige. Entsprechend sagt er bei Amadeus Tao ab, der im Auftrag von Lin Hsin-Yung die Experten aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland eingeladen hat.
Einige Tage später spricht Klaus Stieneker mit Klaus Kühntopp von der Fachzeitschrift Die Brieftaube. Der versucht den Lengericher für die Reise zu gewinnen vergeblich. Dann kommt die Sache ins Laufen. Amadeus Tao ruft bei Stienekers an. Der hat nur gesagt, der Flug ist gebucht, ich brauche einen Reisepass und ein Visum, erinnert sich der heimische Züchter. Bei der Stadtverwaltung beantragt er einen vorläufigen Reisepass, per Express wird bei der chinesischen Botschaft in Berlin ein Visum angefordert. Freitags sind die Papiere zusammen, am Montag gehts vom FMO via Frankfurt nach Shanghai.
Ein hochdotiertes Brieftaubenrennen gibt es in Südchina seit sechs Jahren. In diesem Jahr hat der Industrielle den Pott von 400000 auf eine Million Euro erhöht. Allein der Sieger erhält 120000 Euro. Der Grund für die Einladung war, dass wir Vorschläge machen sollten, wie das Rennen verbessert werden kann, erzählt Klaus Stieneker.
Die Fachleute aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland kommen zunächst aus dem Staunen nicht heraus. Zum Hotelkomplex gehört eine Schlag-Anlage mit Platz für 3000 Brieftauben. Die Quarantäne-Station ist direkt darunter, lobt der Lengericher. So können sich die Tiere sofort eingewöhnen, während sie unter Beobachtung stehen. Bis Ende Mai müssen die Jungtauben nach Shanghai gebracht sein.
In stundenlangen Konferenzen diskutieren die Tauben-Experten über das Rennen. Mehrere Trainingsflüge über wachsende Distanzen werden erarbeitet. Das Hauptrennen am 18. November soll über 500 Kilometer führen. Für junge Tiere ist das die Obergrenze, sagt Klaus Stieneker. Fest steht heute schon, aus welcher Richtung die Tauben eintreffen werden. Aus Nordwesten, weil von dort der Anflug nicht durch Berge erschwert wird. Von Vorteil sei zudem, dass das Klima in Shanghai dem in Mitteleuropa ähnlich sei.
Sightseeing (unter anderem der Pearl-Tower) und ein Besuch in der Firma von Lin Hsin-Yung runden die vier Tage ab. Der Industrielle produziert Federn aus Stahl. Nach eigenen Angaben hat er einen Weltmarktanteil von 70 Prozent. Da ist die Ausrichtung eines so hoch dotierten Rennens kein Problem. Das Geld ist sogar schon beim chinesischen Brieftaubenverband eingegangen.
Klaus Stieneker will mit eigenen Tieren dabei sein. Sechs bis zehn Tauben will er auf den Weg bringen. Viele Kollegen aus Deutschland, so hat er erfahren, wollen ebenfalls ihre Tiere ins Rennen um die Siegprämie schicken. So schnell wie der Lengericher werden die Rennpferde der Lüfte allerdings nicht unterwegs sein. Vom Flughafen bis in die Innenstadt von Shanghai sind wir mit dem Transrapid gefahren, schwärmt er heute noch davon, mit Tempo 430 die 30 Kilometer-Distanz in sieben Minuten bewältigt zu haben.
In diesen Tagen erwartet der 50-Jährige seinen Sturmwind zurück. Der ist im Januar 2005 beim One-Million-Dollar-Race in Südafrika gestartet. Zurzeit ist er noch in Hessen in Quarantäne, berichtet Klaus Stieneker. Immerhin ein Jahr habe es gedauert, bis auf Grund von Quarantäne-Vorschriften der Vogel aus Südafrika ausreisen durfte. Jetzt will ihn der Lengericher in seine Zucht nehmen. Winnetou, der ebenfalls am Start gewesen ist, verbleibt in Südafrika.
Das Rennen um den höchstdotierten Tauben-Wettbewerb hat Lin Hsin-Yung schon vor dem Start verloren. In Las Vegas soll am 10. Dezember das 1,5-Millionen-Dollar-Race starten. Ohne Tauben von Klaus Stieneker. Die Renn-Distanz beträgt dort 640 Kilometer. Für junge Tauben ist das in Verbindung mit den extremen klimatischen Bedingungen einfach zu viel, winkt der Lengericher ab.

Westfälische Nachrichten
Sonntag, 09. April 2006


 
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