Hals
über Kopf nach Shanghai geflogen
Von
Michael Baar
Lengerich. Wenn seine Tauben so
schnell fliegen würden... Hals über Kopf ist Klaus Stieneker
in diesen Tagen nach Shanghai geflogen. Der Grund: Das Eine-Million-Euro-Rennen
für junge Brieftauben am 18. November. Es findet in der
chinesischen Metropole Shanghai statt. Veranstalter ist
der Industrielle Lin Hsin-Yung. Und der will im Vorfeld
dieser Veranstaltung Fachverstand in die Organisation einbinden.
Dass die Wahl gerade auch auf ihn gefallen sei, empfindet
der Lengericher Züchter als große Ehre.
Dabei wollte er eigentlich nicht nach China fliegen. Ich
bin gefragt worden, habe mit meiner Frau Mareike und meiner
Tochter Franziska darüber gesprochen. Wir waren uns einig,
ich bleibe hier, erinnert sich der 50-Jährige. Entsprechend
sagt er bei Amadeus Tao ab, der im Auftrag von Lin Hsin-Yung
die Experten aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland
eingeladen hat.
Einige Tage später spricht Klaus Stieneker mit Klaus Kühntopp
von der Fachzeitschrift Die Brieftaube. Der versucht den
Lengericher für die Reise zu gewinnen vergeblich. Dann kommt
die Sache ins Laufen. Amadeus Tao ruft bei Stienekers an.
Der hat nur gesagt, der Flug ist gebucht, ich brauche einen
Reisepass und ein Visum, erinnert sich der heimische Züchter.
Bei der Stadtverwaltung beantragt er einen vorläufigen Reisepass,
per Express wird bei der chinesischen Botschaft in Berlin
ein Visum angefordert. Freitags sind die Papiere zusammen,
am Montag gehts vom FMO via Frankfurt nach Shanghai.
Ein hochdotiertes Brieftaubenrennen gibt es in Südchina
seit sechs Jahren. In diesem Jahr hat der Industrielle den
Pott von 400000 auf eine Million Euro erhöht. Allein der
Sieger erhält 120000 Euro. Der Grund für die Einladung war,
dass wir Vorschläge machen sollten, wie das Rennen verbessert
werden kann, erzählt Klaus Stieneker.
Die Fachleute aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland
kommen zunächst aus dem Staunen nicht heraus. Zum Hotelkomplex
gehört eine Schlag-Anlage mit Platz für 3000 Brieftauben.
Die Quarantäne-Station ist direkt darunter, lobt der Lengericher.
So können sich die Tiere sofort eingewöhnen, während sie
unter Beobachtung stehen. Bis Ende Mai müssen die Jungtauben
nach Shanghai gebracht sein.
In stundenlangen Konferenzen diskutieren die Tauben-Experten
über das Rennen. Mehrere Trainingsflüge über wachsende Distanzen
werden erarbeitet. Das Hauptrennen am 18. November soll
über 500 Kilometer führen. Für junge Tiere ist das die Obergrenze,
sagt Klaus Stieneker. Fest steht heute schon, aus welcher
Richtung die Tauben eintreffen werden. Aus Nordwesten, weil
von dort der Anflug nicht durch Berge erschwert wird. Von
Vorteil sei zudem, dass das Klima in Shanghai dem in Mitteleuropa
ähnlich sei.
Sightseeing (unter anderem der Pearl-Tower) und ein Besuch
in der Firma von Lin Hsin-Yung runden die vier Tage ab.
Der Industrielle produziert Federn aus Stahl. Nach eigenen
Angaben hat er einen Weltmarktanteil von 70 Prozent. Da
ist die Ausrichtung eines so hoch dotierten Rennens kein
Problem. Das Geld ist sogar schon beim chinesischen Brieftaubenverband
eingegangen.
Klaus Stieneker will mit eigenen Tieren dabei sein. Sechs
bis zehn Tauben will er auf den Weg bringen. Viele Kollegen
aus Deutschland, so hat er erfahren, wollen ebenfalls ihre
Tiere ins Rennen um die Siegprämie schicken. So schnell
wie der Lengericher werden die Rennpferde der Lüfte allerdings
nicht unterwegs sein. Vom Flughafen bis in die Innenstadt
von Shanghai sind wir mit dem Transrapid gefahren, schwärmt
er heute noch davon, mit Tempo 430 die 30 Kilometer-Distanz
in sieben Minuten bewältigt zu haben.
In diesen Tagen erwartet der 50-Jährige seinen Sturmwind
zurück. Der ist im Januar 2005 beim One-Million-Dollar-Race
in Südafrika gestartet. Zurzeit ist er noch in Hessen in
Quarantäne, berichtet Klaus Stieneker. Immerhin ein Jahr
habe es gedauert, bis auf Grund von Quarantäne-Vorschriften
der Vogel aus Südafrika ausreisen durfte. Jetzt will ihn
der Lengericher in seine Zucht nehmen. Winnetou, der ebenfalls
am Start gewesen ist, verbleibt in Südafrika.
Das Rennen um den höchstdotierten Tauben-Wettbewerb hat
Lin Hsin-Yung schon vor dem Start verloren. In Las Vegas
soll am 10. Dezember das 1,5-Millionen-Dollar-Race starten.
Ohne Tauben von Klaus Stieneker. Die Renn-Distanz beträgt
dort 640 Kilometer. Für junge Tauben ist das in Verbindung
mit den extremen klimatischen Bedingungen einfach zu viel,
winkt der Lengericher ab.